Hannoversche Allgemeine Zeitung, 2. September 2003

EGESTORF/ Gefeiertes Experiment im Schaafstall

"Trio'99"-Konzert wird musikalisches Ereignis

Keine Frage, es war ein ganz und gar außergewöhnliches Konzert im Egestorfer "Schaafstall" des Kunst- und Musikmäzens Ernst Kirchertz: Das "Trio'99", drei Musikerinnen von hohem handwerklichen wie intelektuellen musikalischem Können, begeisterte das Konzertpublikum mit einem herausfordernden Programm unter dem Motto: "What about Cowell?"
     Hinter dem seltsamen Titel, den das Trio mit der Norwegerin Darlén Bakke (Klavier), der amerikanischen Geigerin Kathi Kelsh und der aus Schwaben stammenden Andrea Schneider-Hagel (Schlagzeug) gewählt hat, verbirgt sich moderne E-Musik: Darunter Stücke wie "Set of Five" vom Amerikaner Henry Dixon Cowell, "Toki No Mon" vom Japaner Somei Satoh und Toshi Ichiyanagis "Trio Interlink". Moderner geht's nimmer.
     Erstaunlich, verblüffend fast, wie angetan und aufmerksam das doch eigentlich mehr an traditionelle Kompositionen gewöhnte Stammpublikum des Schaafstalls die dissonanten Klänge und akustischen reize annahm. Immer wieder Ovationen für die Künstlerinnen – und eingeschlossen unbedingt die Moderation von Lothar Nierenz. Nierenz, Publizist und Musikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin (*), baute Brücken zwischen Werken, Interpretationen und Publikum. Erst durch seine Hinweise erschlossen sich vielen die Merkwürdigkeiten der E-Musik unserer Tage.
     Schon die Instrumentierung des Schaafstall-Abends ließ selten Vernommenes ahnen: Xylophon, Steeldrums, Gong, japanische Metallschalen, alltagstaugliche Keramikgefäße in der Verbindung mit Konzertflügel und Geige. Bemerkenswert die Intensität mit der das Trio seine Hörerlebnisse formte. Hätte der Hausherr die Drei vorher selbst schon einmal gehört, ihm wäre um den Abend nicht bange gewesen. Ernst Jürgen Kirchertz und die mitveranstaltende GeTour sollten ruhig häufiger ähnlich mutig sein.
DIETER KLOCKE

* Anmerkung des Trio'99: Zu seinem eigenen Bedauern ist Lothar Nierenz nicht "Publizist und Musikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin". Richtig ist aber, dass er an der FU Berlin einige Semester Publizistik und Musikwissenschaft studiert hat..



Neue Deister Zeitung (Springe), 2. September 2003

Bis an die Grenzen der Belastbarkeit

Trio 99 begeisterte im ausverkauften Schaafstall / Werke von Cowell, Satoh und Ichiyanagi

Von Christoph Huppert

Egestorf. "Diese Veranstaltung hat kompromißlosen Charakter. Sie ist ausschließlich der modernen, zeitgenössischen Musik gewidmet. Mit diesen Worten begrüßte Ernst-Jürgen Kirchertz 88 Zuhörer zum Konzert des Trio 99 im Schaafstall Egestorf.
     Trio 99 das sind die in Lüneburg lebende renommierte Instrumental-Pädagogin und US-Amerikanerin Kathi Kelsh, die aus Norwegen stammende Pianistin Darlén Bakke und die Schwäbin Andrea Schneider-Hagel am Schlagzeug.
     Gefunden haben sich die drei Frauen im Rahmen ihrer musikalischen Tätigkeiten: so ist Bakke seit 1986 Dozentin an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, zudem arbeitet sie als stellvertretende Vorsitzende der Hannoverschen Gesellschaft für Neue Musik, Schneider-Hagel dagegen kommt wie Kathi Kelsh aus der Musikpädagogik. Sie leitet u.a. das Junge Schlagzeugensemble Hannover sowie das Junge Schlagzeugensemble Niederachsen, das sie bereits auf Konzertreisen nach Japan und in die Karibik führte.
     In Egestorf überraschte das Trio mit dem Programm What about Cowell? Mit großer technischer Präzision meisterte das Ensemble die komplexe Komposition von Henry Dixon Cowells Set of Five, einem Stück für Violine, Schlagzeug und Klavier. Notwendig und wohltuend auch die gelungene Zwischenmoderation von Lothar Nierenz, dem es gelang, in hinreichend knapper, aber dennoch anschaulicher, ja sogar unterhaltsamer Weise den Grundcharakter des vorgeführten Klangerlebnisses zu verdeutlichen.
     So erfuhren die Zuhörer, dass Henry D. Cowell (1897 - 1967) in den USA vielen Traditionalisten als musikalischer Nestbeschmutzer galt, und auch in Deutschland lösten seine Konzerte gelegentlich Tumulte aus. Im Egestorfer Schaafstall allerdings gab´s lang anhaltenden Beifall, ob einer exzellenten Ensembleleistung.
     Insbesondere mit Toshi Ichiyanagis Trio Interlink, einer furiosen Symbiose zeitgenössischer europäischer Musik und asiatischen Klangelementen, gelang die Umsetzung der künstlerischen Forderung von Altmeister John Cage, wonach Kunst als ästhetische Erfahrung des Unvorhersehbaren zu verstehen sei.
     Polytonale, flächige Klangteppiche lösten sich mit Passagen jazziger Rhythmik ab. Die mit hoher Dynamik aufgebauten Gegensätze schienen stellenweise sowohl den Klangraum als auch die Vorstellungskraft der Zuhörer bis an die Grenzen zu belasten.
     Dennoch am Ende völlig gerechtfertigte Begeisterung, denn dem Trio war es gelungen, die von Lothar Nierenz postulierte wegweisende Rolle Henry Dixon Cowells als Wegbereiter des Klangs des 21. Jahrhunderts und seine innovative Kraft eindrucksvoll zu verdeutlichen. Fazit: Ein Konzertnachmittag, dessen Kompromißlosigkeit dank der hervorragenden Leistung der drei Musikerinnen beeindruckte und überzeugte.



Deister-Weser-Zeitung DEWEZET (Hameln), 2. September 2003

Trio 99 brachte einen Hauch Großstadt in den Schaafstall

Egestorf: Drei Musikerinnen begeisterten mit jazzig-avantgardistischem Programm

Von Dorothee Balzereit

Egestorf. Drei Musikerinnen, das Trio 99, füllten den "Schaafstall" am Sonntag mit experimentierfreudigen Klängen von Henry Dixon Cowell, George Antheil, Somei Satoh und Toshi Ichiyanagi. Mit ihrem jazzig-avantgardistischen Programm "What about Cowell" begeisterten die Frauen bereits in Hannover, Bremen und anderen Städten. So wurde die gewohnt gute Qualität der Veranstaltungen unter der Leitung von Dr. Ernst-Jürgen Kirchertz und der GeTour an diesem Tag durch eine progressive Nuance bereichert; ein Hauch Großstadt, wildes Lebensgefühl und die Auflösung von Tradition und Grenzen bestimmte die Atmosphäre.
     "Wir befinden uns in New York, 20er Jahre", führte Lothar Nierenz mit einer gelungenen Moderation die Hörer ein und beschwor die lebendige Szenerie eines lebenshungrigen Künstlermilieus herauf, bevor Kathi Kelsh, Violine, Darlén Bakke, Klavier, und Andrea Schneider-Hagel, Schlagzeug, gelassen mit dem ersten Satz von Cowells "Set of Five" einsetzten. In der emanzipierten Tonsprache spürte man Greenwich Village, Zentrum avantgardistischer Bewegungen. Neben Cowell gehörte auch das "Enfant terrible" George Antheil zu den Wegbereitern der neuen musikalischen Entwicklung. Mit seinen rigorosen Konzertmethoden (angeblich schloß er sein Publikum ein, damit es nicht weglaufen konnte), gehörte er neben Cowell, Edgar Varése und Carlos Chávez sicherlich zu den exzentrischsten Musikern der neuen Generation. Verstörend schön seine für Ezra Pound geschriebene 2. Sonate für Violine und Piano, bei der sich Bakke und Kelsh einen furiosen Kampf mit einer selbstzerstörerischen Tangosequenz liefern, und die Pianistin zum Schluß zur Percussionistin wird. Nach dem schnellen zweiten Satz von Cowell dann einer wunderschöner Kontrast mit dem fast meditativen "Toki no mon" von Somei Satoh. "Stille oder ein langer Ton sind am Ende gleich, wichtig ist, ob sie mit Leben gefüllt sind", kommentiert Satoh seine Musik, deren Vieldimensionalität mit einem neuen Zeitbegriff die Unendlichkeit in einem Moment verspricht. Zum Schluß noch einmal die innovative Kraft des Wegbereiters der Avantgarde. Beim fünften rigorosen Satz des Set of Five von Cowell, in dem er seine berühmten Cluster (Klangtrauben) einsetzt, bearbeitete Darlén Bakke den Flügel mit dem Unterarm, und legte, bei gehaltenem rechten Fußpedal, die Hand auf die Saiten des Flügels. Begeisterter Applaus am Ende für die Musikerinnen – die vitale Freude am musikalischen Experiment war eine gelungene Bereicherung und macht Lust auf mehr.



taz Bremen 4.12.2002 von Ute Schalz-Laurenze

Zum Konzert mit dem Programm "What about Cowell?" am 5.12.2002 in der Hochschule für Künste Bremen

Überm Tellerrand

Ein multikulturelles Trio spielt in der HfK

Sie habe schon als Schülerin gemerkt, dass sie in der klassischen Musik keine Chance haben werde: "Eine schwarze Geigerin, das funktioniert nicht, das ist nicht gewollt". Kathy Kelsh aus Washington studierte dennoch Violine, unter anderem bei dem Bratscher des legendären Kolisch-Quartetts Eugene Lehner und bei Josef Silverstein, dem Konzertmeister des Boston Symphony Orchestras. Aber schon damals schaute sie über die Tellerränder, absolvierte ein Jazz-Studium bei Jay Oliver in Berlin und orientierte sich fortan am Experiment und an künstlerischen Grenzüberschreitungen. Wer aber denkt, dass sie das mit der norwegischen Pianistin Darlèn Bakke und der deutschen Schlagzeugerin Andrea Schneider-Hagel zusammengebracht habe, der irrt.
"Zusammengebracht haben uns unsere Kinder, kann man das schreiben?", fragt Kathy Kelsh, die heute in Lüneburg lebt. Sie hat zwei Söhne, Andrea Schneider drei Töchter - alle drei Schlagzeugerinnen - und Darlèn Bakke zwei Söhne. Im Gespräch entdeckten die Musikerinnen Gemeinsamkeiten und gründeten das "Trio 99" mit der seltenen Besetzung Klavier, Violine und Schlagzeug. "Da wir unbedingt originale Besetzung spielen wollen, also keine Bearbeitungen, müssen wir unglaublich Zeit und Geld investieren, um die Musik überhaupt zu finden", erzählt Bakke, die ebenfalls nach einer fundierten klassischen Ausbildung sich heute hauptsächlich der zeitgenössischen Musik verschrieben hat. Für das Gründungskonzert vergaben die drei Frauen einen Kompositionsauftrag an die Komponistin Tatjana Prelevic.
     Vor diesem Hintergrund wächst die Neugier auf das amerikanisch-japanische Konzert in der Hochschule für Musik am Donnerstagabend: ein Trio des amerikanischen Altmeisters der neuen Musik, Henry Cowell, eines des 1947 geborenen Japaners Somei Satoh mit Namen "Toki No Mon", was so viel heißt wie "Tür zur Unendlichkeit", und eines des in Deutschland recht bekannten Japaners Toshi Ichiyanaghi, der über scheinbar unverbindbare Wurzeln verfügt: Aufgewachsen in einem europäisch orientierten japanischen Musikerhaushalt, wurde er in Amerika besonders von John Cage beeinflusst: "Musik ist ein Ereignis, Musik ist Tat. (...) Man braucht weder das Denken noch das Wort. Das Erlebnis entsteht durch Klang", sagt er. Dann erklingt eine Violinsonate des ,bad boy of music', wie sich der Amerikaner George Antheil mit seiner an mechanischen Vorgängen orientierten Musik selbst nannte.



Landeszeitung Lüneburg 13.02.2001

Das Trio '99 beeindruckte im Kulturforum

Ein umfangreiches, zugleich kurzweiliges Programm zeitgenössischer Musik hatten Darlén Bakke, Kathi Kelsh und Andrea Schneider zusammengestellt.
Dem Konzert, hätte eine größere Bühne ob der guten Besucherzahl gut getan.